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Hans-Georg Kaiser
Für Wannenleser


Grau bin ich und voller Flecken
und mit Neptuns Fluch bedacht.
Abgestellt in dunklen Ecken,
ward es um mich finst're Nacht.

Ja, ich wurde oft gelesen
und ich wurde viel belacht.
Ach, wie war das schön gewesen.
Bis man mich ins Bad gebracht.

Vor der großen Sündflutpanne,
wurde ich zuletzt zitiert,
doch dann fiel ich in die Wanne
und ich bin dort fast krepiert.

Reclamheft war ich gewesen,

und so weichte ich schnell auf.
Schnöde Welt hat mich verstoßen.
Schicksals Macht nahm ihren Lauf.

Schon versunken tief im Wasser,
dachte ich noch, ich werd' nass.
Denn es war die reinste Folter.
Wie das kneippte! Das war krass.

Bin ein schäbig' Ding geworden,
ganz zerfleddert und in Schmach.
Weg sind alle Leserhorden.
Niemand blättert mich noch nach.

Ach, ich heg' in meinem Herzen
einen finst'ren tiefen Groll.
Musste ich ins Wasser stürzen?
Warum war die Wanne voll?

Bin entsetzt und bin entrüstet,
in der Nässe, es ist schlimm.
Nach Vergeltung mich's gelüstet.
Warum nehme ich das hin!

Diese Schmerzen, diese Leiden!
Hätte ich nur etwas Mut,
dann ersäufte ich aus Rache
Bibliotheken voller Wut.

Doch die Schmerzen in den Seiten,
fressen weiter wie ein Tier.
Hoffe noch auf bess're Zeiten.
Ferne klimpert ein Klavier.