Es ist vielleicht keine soo besonders spannende Information, aber mir ist trotzdem danach, in diesem Blog an dieser Stelle hiermit kurz zu vermerken, dass ich gestern abend als Gast auf einer Mitgliederversammlung der LAG BGE (Landesarbeitsgemeinschaft Bedingungloses Grundeinkommen) der Partei DIE LINKE Bremen aufgeschlagen war. Die LAG BGE Bremen ist eine formale Gliederung der Partei mit eigener Satzung, deren Mitglieder nicht zugleich auch Mitglied der Partei DIE LINKE sein müssen, wohl aber automatisch zugleich Mitglied der BAG BGE (Bundesarbeitsgemeinschaft) dieser Partei sind. Ich wollte mir mal ansehen, was die so treiben und mich als Mitglied des Netzwerks Grundeinkommen (und als Pirat) ein bisschen mehr in der regionalen Grundeinkommensbewegung vernetzen.

Die BAG BGE hat als maximale Zielstellung, die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen im Grundsatzprogramm der Partei DIE LINKE zu verankern. (Dieses soll wohl nächstes Jahr verabschiedet werden und dann für 10 Jahre gültig sein.) Die Mindestzielstellung ist, zu verhindern, dass eine offene Ablehnung des BGE in die endgültige Fassung hineingeschrieben wird, so dass zumindest ein parteiinterner Diskurs über ein Grundeinkommen möglich bleibt. Die Veranstaltung, zu der öffentlich eingeladen wurde, diente dem Austausch vom Bundeskoordinator und den LAG-Sprechern Bremens, sowie der (formal notwendigen) Neuwahl des LAG Sprecherrats und der Beplanung der Zusammenarbeit mit anderen regionalen BGE-Initiativen. Mich interessierte vor allen Dingen der letzte Punkt.

Ganz interessant war dennoch auch die Diskussion um den Bericht des Bundeskoordinators, der nochmal die (mir schon aus eigener Erfahrung mit Linken bekannten) Vorbehalte der meisten Parteimitglieder darstellte: Zum einen ist es Engels Menschenbild "Erst die Erwerbsarbeit macht den Affen zum Menschen", also die Vorstellung, dass sich ein Mensch in seinem Wert über seinen Erwerbsarbeitsplatz definiert. Ein BGE, das Erwerbsarbeit mit anderer Arbeit gleichstellt, würde dieses Menschenbild zerstören. Zum andern ist es der Marxsche Klassenkampfbegriff, also die für viele Linke identitätsstiftende Auffassung von Erwerbsarbeitgebern als Ausbeuter und Erwerbsarbeitnehmern als Ausgebeutete durch den Kapitalismus. Ein BGE, das diese Ausbeutung unter Beibehalt des Kapitalismus aufhebt, würde diese Identität aushöhlen. Und das Dritte ist der Systemwechselwunsch zum Sozialismus. Wenn es den Menschen durch ein BGE zu gut geht, würden sie auf eine Revolution verzichten.

Außerdem interessant war auch die Diskussion um die zwei politischen Dimensionen von unsozial bis sozial und von autoritär bis libertär. Die Mitglieder der Partei DIE LINKE seien auf der einen Dimension klar verortet, nämlich sozial eingestellt, auf der anderen Dimension aber nicht. Sozial-autoritär heißt, durch staatliche Zwangsmaßnahmen eine erzwungene Gleichheit aufzuoktroyieren und das soziale Gerechtigkeit zu nennen. Sozial-libertär heißt, einen staatlichen Rahmen zu schaffen, in dem die Menschen in Freiheit und Selbstbestimmung soziale Gerechtigkeit gestalten und leben können. Für viele Mitglieder sei "libertär" ein Schimpfwort und deshalb das BGE keine Option.

Wirkungsfeld der BAG BGE ist es also, die Partei in Richtung libertär zu schieben -- und die Grundeinkommensbewegung außerhalb der Partei in Richtung sozial. Nach außen hin gilt es somit, die emanzipatorische Komponente der Grundeinkommensidee zu stärken, und nach innen hin, sich dem Trend zum Autoritären entgegenzustellen. Damit ist die BAG BGE der Linken also eine sozial-libertäre Organisation. Ihr Kampf gegen den Rest ihrer Partei interessiert mich persönlich weniger, umso mehr aber die Zusammenarbeit in der Grundeinkommensbewegung. Denn ich selber bin ja ebenfalls an zwei Fronten unterwegs: Ich möchte zum einen die emanzipatorische Komponente in der Grundeinkommensbewegung stärken und zum anderen den Diskurs um das BGE in meiner Partei (der Piratenpartei) am Leben erhalten. Kurzum: Ich habe exakt dieselben Ziele.

Die Piratenpartei ist außerdem, auch wenn sie sich nach außen hin derzeit noch nicht explizit so aufstellt, selbst eine sozial-libertäre Organisation. Wertet man z.B. die Wikiprofile derjenigen Einzelpiraten aus, die sich in einem politischen Kompass verortet haben, dann kriegt der linkslibertäre Quadrand nahezu alle Punkte. Eine nicht repräsentative, aber immerhin automatisiert aktuelle Auswertung findet sich z.B. hier.

Als Fazit kann man sagen, dass Berührungsängste mit der Partei DIE LINKE durchaus berechtigt sind, insbesondere wenn man wie ich sowohl einen autoritären Staat als auch den Sozialismus ablehnt. Diese Ablehnung der Gesamtpartei auf jedes einzelne Mitglied zu übertragen, wäre aber ganz offenbar vollkommen idiotisch, denn in der LAG BGE Bremen habe ich Menschen kennengelernt, mit deren Zielen und Wirken ich mich identifizieren kann. Ich freue mich darauf, einigen von ihnen an anderer Stelle hoffentlich bald wieder zu begegnen.