Im Hintergrund läuft Smoothjazz.

Die Zeiten haben sich geändert. Napster ist schon lange Geschichte und mittlerweile gibt es Streamingdienste, für die ich auch bezahle. Denn wie bei Bildern ist es wichtig, dass die entlohnt werden, die sie für uns schaffen und uns damit das Leben schöner machen. Doch warum schreibe ich hier über Msuik und Streamingdienste, wenn der Titel "Die Fotos meiner Oma ..." auf ein ganz anderes Thema hinweist? Nun, das einscannen von ca. 800 Fotoplatten und beinahe ebenso viele Negative auf Rollfilm ist schon eine ziemlich stupide Angelegenheit. Ich will damit nicht schreiben, dass es eine Art Fließbandarbeit ist, aber wenn die Grundeinstellungen ersteinmal gesetzt sind und die Qualität der einzelnen Platten nicht unwesentlich von einander abweichen, dann legt man nach einander Platte für Platte auf den Scanner, wieder eine und wieder eine und wieder und wieder... Man kann es sich sicherlich gut vorstellen. Und am besten schaut man auf den Stapel, der geschafft ist und nicht auf den, den man noch abarbeiten möchte.

Sind die Bilder erstmal digitalisiert, müssen sie auch bearbeitet werden. Verschmutzungen müssen retouschiert werden, Kratzer beseitigt sowie sie optimale Helligkeits-, Kontrast- und Struktureinstellung gefunden werden. Und hier wird nun jede Platte, jedes Negativ zu einem Einzelgeschäft, das Zeit braucht. So wird jeder verstehen, dass ich bis heute (vier Jahre später) nicht wirklich ca. 1600 Negative bearbeitet habe. Ich nehme mir sie Stück vor Stück vor, je nachdem wie ich sie brauche.

Beispiel: Das Malergeschäft meines Opas

Bild beschnitten, Kontrast und Struktur erhöht und gerade gesetzt...


... und mit einem Raster überzogen.

Und dann beginnt Feld für Feld eine Reise durch die Nacht und durch die Zeit. Die Musik läuft leise im Hintergrund und während ich monoton die Kratzer und Staubflecken entferne tauche ich immer tiefer in meine eigenen Vergangenheit ein.

Natürlich gibt es Softwarelösungen, die einem helfen sollen Staub und Kratzer zu bereinigen. Meine Erfahrungen sind da allerdings ernüchternd und ich haben damit keine für mich befriedigende Ergebnisse erziehlt. Manche Dinge brauchen eben länger und müssen wirklich Step by Step abgearbeitet werden. Deshalb möchte ich hier das Thema "für" und "wider" verschiedener Softwaranbieter nicht vertiefen. Gerade wenn Gesichter im Spiel sind, wird es heikel. Nun ist es also Nacht. Die Dunkelheit erfüllt den Rest des Raumes, nur in der kleinsten Ecke meines Arbeitsplatzes gibt es Licht. Die Bearbeitung des Planquadrates A1 beginnt noch ziemlich unspektakulär, da der Hintergrund sich sowieso in der Unschärfe verliert.

Ich erinnere mich an das Malergeschäft meines Großvaters noch gut. Es roch dort immer so schön nach neuen Tapeten und Farbe. In einer Zeit, in der es noch keine Baumärkte gab, kauften Leute dort ihre Tapeten, Farbe und Pinsel inkl. Fachberatung. Mein Großvater allerdings - den ich fast nur in seinen Malersachen in Erinnerung habe, war viel im Dorf mit seinem Moped unterwegs, an dem ein Anhänger alles aufnahm, was er brauchte: Farbe, Leiter, Pinsel. Und wenn ich mit meinem kleinen Kinderrad im Dorf unterwegs war, dann traf ich ihn manchmal wenn er Fenster strich und rief lauthalts "Opa!" Ich war total stolz auf ihn und das, was er machte. Bei vielen alten Bauerhäusern erstrahlten die Fenster im hellsten Weiß, wenn Opa da gewesen war.

Solche Fenster erstrahlten im hellsten Weiß, wenn mein Opa da war. Ich habe diese Häuser noch gut in Erinnerung. Ab den 1970er Jahren verschwanden sie mehr und mehr auf dem Ortsbild und wurden durch moderne Häuser ersetzt. (Bild nicht bearbeitet)

Mittlerweile Planquadrat H1 und einige Musikstücke in der Playlist weiter: An dem Tag, als ich mein fünftes Lebensjahr vollendet hatte, geschah etwas Unangenehmes, von dem ich zwar wusste, aber es immer erfolgreich verdrängt hatte. Denn immer wurde mir gesagt, dass ein Kind wenn es fünf Jahre alt wird, nicht mehr mit Stützrädern fährt. An diesem Geburtstagsmorgen wollte ich mich also auf den Weg in den Kindergarten machen und fand mein Fahrrad im Schuppen ohne Stützräder vor. Sicherlich hatte mein Vater vorher mit mir geübt - ich weiß es nicht mehr - aber nun fühlte ich mich total überfordert. Ich musste also meinen Weg alleine mit meinem Fahrrad und ohne Netz und doppelten Boden beschreiten. Die Bewältigung dieser Aufgabe wird nie in die Rubrik "Götter- und Heldensagen" aufgenommen werden - da bin ich mir sicher. Ich schob mein kleines Rad, die Krokodilstränen rannen mir über die Wangen und das Geburtsagskind, dem klar wurde, dass es nie wieder Stützräder an sein Fahrrad bekommt, erreichte den Kindergarten. Zumindest die Zeit jetzt im Kindergarten war unspektakulär - dort brauchte ich mein Fahrrad nicht. Doch es gab ja noch einen Rückweg... Aber anscheinend habe ich meinem Cousin mein Leid geklagt. Nach dem Kindergarten hielt er mich fest, ich bagann zu fahren und er lies los und - ich fuhr und fuhr und radelte Richtung Heimat. Und kam an, auf dem Mittelstreifen der Hauptstraße, wie meine Mutter zu berichten wusste. Nun, 1968 waren auch noch nicht soviele Autos unterwegs.


Die Zwillinge - Kinder meines Onkels - mit einem Fahrrad mit Sützrädern, wie ich sie auch nutzte.