Als letzten Beitrag in diesem Blog plazierte ich in einem Kommentar (am letzten Blogeintrag) den folgenden Satz: "Mir ist nur wichtig, dass Ideen, Meinungen und Informationen rege, frei und ohne persönliche Konsequenzen öffentlich ausgetauscht werden können und werden.".

Das klingt erstmal nicht so spektakulär, denn dafür, dass das so ist und bleibt, sollte eigentlich jede Bürgerin und jeder Bürger stehen, so wie auch jede Partei. Aber 2009 war das anders: Da traten mehr als 10.000 Menschen in die Piratenpartei ein, weil sie damals die einzige Partei war, die noch für den Erhalt von Meinungsfreiheit in Deutschland stand. Niemand sonst stelle sich der Drohkulisse Demokratie-bedrohender Gesetzesvorhaben entgegen, die vor allen Dingen von Verbrechern in der CDU geplant und von der von Dummen angeführten SPD unterstützt wurden.

Mit Spenden, persönlichem Engagement und öffentlicher Thematisierung in meinem Blog und sozialen Umfeld habe ich die Piratenpartei 1½ Jahre lang aktiv unterstützt, sowie meine Kompetenzen in Themen wie Geschlechtergleichstellung oder Emanzipatorik beim Grundeinkommen-Thema eingebracht. Mein Motto war: Ich will die Piratenpartei nicht in die Welt tragen, sondern die Welt in die Piratenpartei. Und wenn die Welt da erst angekommen ist, wird sie die Partei ganz von selbst für sich entdecken. Mein Weg in dieser Angelegenheit war der öffentliche Diskurs, also Transparenz und Mitbestimmung für alle. Piratiges Vorgehen eben.

Sehr erfolgreich war ich damit nicht, denn was z.B. Quotenregelungen, Sprachgebrauch, usw., angeht, sind die Piraten ahnungsloser als je zuvor. (Ein Kollege meinte kürzlich zu mir: "Mach Dir keine Gedanken. Das verstehen die einfach nicht.") Und was Grundeinkommen betrifft, schrieb ich selber in o.g. letztem Kommentar: "Ich würde von der Piratenpartei in absehbarer Zukunft keine Beiträge zur BGE-Debatte erwarten.". Aber das ist nicht schlimm, und darum geht es mir auch gar nicht. Es ist egal, ob ich irgendwomit erfolgreich war oder nicht. Mir geht es mit diesem Blogeintrag um etwas anderes: Ich habe mich Ende 2010 aus der Mitarbeit in der Piratenpartei zurückgezogen und bisher versäumt, meinen aufmerksamen Leserstamm dieses privaten Blogs über die hinter dieser Entscheidung stehenden Beweggründe aufzuklären. Das will ich hiermit nachholen.

Erst vorgestern habe ich auch endlich meine Profilseite im Piratenwiki entsprechend angepasst. Da steht jetzt u.a., ich sei "inaktiv seit Gründung des Kreisverbands Bremen Stadt (Ende 2010)" und "früher oft aber jetzt nicht mehr auf dem Stammtisch in Bremen", sowie "auf der Bremer Mailingliste nur noch mitlesend". Und das ist auch korrekt: Es war die Art und Weise der Gründung des Kreisverbands, die mich traumatisiert hat. An jenem Tag, dem 26. September 2010, bin ich ausgestiegen.

Zwei Tage später, also am 28. September 2010, schrieb ich den folgenden Text, den ich seitdem zurückgehalten habe. Aber nun muss er raus (alles bis Ende dieses Blogeintrags). Es ist jetzt Schluss mit der Selbstzensur -- denn mir ist wichtig, dass Ideen, Meinungen und Informationen rege, frei und ohne persönliche Konsequenzen öffentlich ausgetauscht werden können und werden...

Leere



"Die Piraten, jedenfalls die Bremer, stellen sich als uninspirierter und unengagierter kleiner Haufen dar, der nicht einmal eine Idee hat, wie er sich vermehren könnte. Die allgemein verbreitete Parteienverdrossenheit macht das politische System offenbar anfällig für Gespenster."

So schrieb es jedenfalls Klaus Wolschner (KW) von der taz Bremen in seinem Kommentar. Recht hat er. Genau so haben wir uns dargestellt auf der Veranstaltung, über die er an anderer Stelle auch berichtet hat. So sehen wir uns selber zwar nicht, aber so haben wir uns an dem Tag tatsächlich dargestellt. Die Wahrnehmung ist richtig.

Angekündigt war die Sache als Landesparteitag. Da kommt normalerweise die Parteibasis zum Zuge, es werden Reden gehalten, Debatten geführt und Richtungsentscheidungen getroffen. Gerade auf einer Veranstaltung, in der es um repräsentative Kandidaten und um das Wahlprogramm selber geht.

Bei uns nicht. "Diskussionen gab es keine - schwierigstes Thema war die Auslegung der Wahlordnung" (KW). "Ein außerordentlicher Landesparteitag war einberufen, es geht um die Positionierung für die Bürgerschaftswahlen 2011. Ja, die Bremer Piraten wollen antreten. Da müssen einige Formalitäten erledigt werden, in die sich die Köpfe der Piraten vertieft haben." (KW)

Das stimmt. Formalitäten. Zunächst wurden zwei Kreisverbände gegründet, damit diese später am Tage dann Beiratskandidaten vorschlagen können. Und da diese KV-Gründungen außerplanmäßig eingeschoben wurden, liefen sie auch entsprechend chaotisch ab. Kaum jemand wollte die zu vergebenen Ämter. Irgendwann ließen sich einige teilweise widerwillig überreden. "Eine ganz fiese Tour" kommentierte der so hereingelegte neue Kreisverbandsvorsitzende Bremen Stadt (das ist alles außer Bremen-Nord, der Stadt Bremerhaven und dem stadtbremischen Überseehafengebiet Bremerhaven).

Von den 150 Mitgliedern waren bis zu 24 anwesend -- auf dem LPT dann noch 23. Der gleiche aktive Kern, der sich jede Woche trifft. Als ob es jenseits dieses Kerns nichts gibt. Nur diese paar Gespenster. Mich eingeschlossen. Vielleicht ist das so.

Am Abend danach schrieb ich auf der Mailingliste noch "Also ich bin sehr zufrieden mit den heutigen vier Veranstaltungen (die beiden Kreisverbandsgründungen, der LPT und die Kulturtankstellen-Präsentation). Wir haben gute Kandidaten gewählt, das Wahlprogramm ist bis auf die redaktionellen Abschlussarbeiten durch, und alles lief stressfrei geordnet und zeitlich punktgenau ab. Es war also ein großer Erfolg. Gleichzeitig auch noch eine Show für die Presse abzuziehen, war nicht zu leisten und muss auch nicht sein. Wir haben eben Transparenz gelebt. Wer Wahlprogramm und Listenkandidaten derart basisdemokratisch aufstellt, bei dem geht es eben etwas anders zu als bei manchen anderen Parteien."

Aber mittlerweile würde ich sagen, dass das eine vorschnelle Reaktion war, vorübergehend entstanden aus der Erleichterung, es überstanden zu haben. Denn die spontane Gründung der Kreisverbände auf diese fatale Art und Weise war völliger Schwachsinn. Ich kann noch gar nicht glauben, dass ich selber zugestimmt hatte, denn ich fühle mich in diesen neuen Strukturen so nun nicht mehr wohl. Die paar popeligen Beiratskandidaten waren es jedenfalls nicht wert, ein solches Unding durchzuziehen. Meine Motivation, mich bei den Piraten Bremen zu engagieren, ist dadurch jedenfalls auf null gesunken.

Ähnlich lief es mit dem Wahlprogramm. Der grausige Zustand und der absurde Entstehungsprozess vor dem LPT sind im Nachhinein gesehen unentschuldbar. Dass ich nach dem LPT froh war, dass doch noch überhaupt ein Programm zustandegekommen ist und verabschiedet wurde (vorbehaltlich einer kräftigen redaktionellen Nachbereitung) -- weil ich als Einziger einige alte Unterlagen über diverse Entscheidungen zusammengesucht und mitgebracht hatte --, kann ich inzwischen nicht mehr nachvollziehen. Schlimm ist das zwar nicht, denn lesen wird es ohnehin niemand, aber es ist frustrierend. Enttäuschend. Nicht weil meine wiederholten Mahnungen im Vorfeld ignoriert wurden, sondern weil generell jegliche Verantwortlichkeit als Ärgernis abgetan wird. So kann man nicht auf Bundesland-Ebene antreten! Oft musste ich an das aktivste Mitglied des Landesverbands denken, das sich aus dieser Enttäuschung heraus schon zuvor komplett aus der Mitarbeit herausgezogen hatte. Ich kann das gut verstehen.