...schreibe ich lieber einfach mal irgendwas. Außerdem habe ich gerade Lust, nochmal mein Lieblingsthema aufzugreifen -- das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) --, denn auf der Mailingliste der AG Bedingungsloses Grundeinkommen der Piratenpartei Deutschland schrieb heute jemand, daß er "die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht passend und psychologisch völlig daneben" finde. Er meint, "dass durch ein BGE jeder zum Anbieter seiner Arbeitskraft wird und ein Unternehmer zum Nachfrager dieser".

Ich halte das, und das sag ich auch, schlicht für Unsinn. Ein Arbeitgeber gibt keine Arbeit, sondern einen Arbeitsplatz. Ein Arbeitsplatz ist -- um mal meine Formulierung aus dem Beitrag “Vollbeschäftigung” zu übernehmen -- i.d.R. gekoppelt mit einer Anwesenheitspflicht an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten, sowie einer Weisungsgebundenheit. Ein Arbeitsplatz versorgt einen also mit ungesicherter fremdbestimmter Arbeit, aber es ist der Platz, den der Arbeitgeber gibt, nicht die Arbeit.

Ein Arbeitnehmer nimmt einen solchen Arbeitsplatz, in dem er ihn besetzt. Meist geht es ihm aber eigentlich nur um einen Einkommensplatz. Ein Einkommensplatz ist verbunden mit einem regelmäßigen Geldeingang in einer Höhe, die für kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft ausreichend ist, sowie der Gewißheit, daß dieser Geldeingang unter normalen Voraussetzungen dauerhaft bestehen bleibt. Ein Einkommensplatz liefert also ein gesichertes Einkommen zur eigenen Verwendung.

Das BGE will nun vier Kernprobleme adressieren: 1. Ab einem bestimmten Level von Gehaltshöhe und Kündigungsschutz stellt ein Arbeitsplatz einen Einkommensplatz dar. Eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit solcherart Arbeitsplätzen wird aber nie wieder möglich werden. Mehr und mehr Arbeitsplätze existieren nur, weil sie in Sachen Gehaltshöhe oder Kündigungsschutz sehr deutliche Abstriche machen. Es sind keine Einkommensplätze.

Das 2. Problem ist der im Rahmen der Agenda 2010 vollzogene Umbau der Arbeitsgesellschaft durch strukturverändernde Gesetze wie Hartz 4. Arbeitnehmer sind dadurch erpressbar geworden und defacto recht- und machtlos gegenüber diktierten Arbeitsbedingungen.

Das 3. Problem ist, daß durch diese Maßnahmen zusammen mit der umgebauten Rentenformel neben der Menschenwürde am Arbeitplatz außerdem effektiv auch noch das Alterseinkommen gestrichen wurde.

Und das 4. Problem ist, daß die sog. Transferleistungen zur Grundsicherung auf den Prinzipien Vermögensanrechnung und Bedarfsgemeinschaft beruhen, also auf Entblößung des Bürgers und seines Umfelds, sowie extremer sozialer Ungerechtigkeit und einer ausweglosen Armutsspirale.

Parteien wie z.B. DIE LINKE fordern nun einfach zu 1. Vollbeschäftigung und branchenübergreifenden Mindestlohn, zu 2. starken Kündigungsschutz und betriebliche Mitbestimmung, zu 3. die Rückkehr zur alten Rentenformel und zu 4. ein pauschales "muss weg". Kurzum: Die Forderungen sind rückwärtsgewandt und utopisch zugleich. Immerhin sehen schon recht viele einzelne Mitglieder (nicht nur von DIE LINKE und von der Piratenpartei) eine andere Antwort auf diese vier Probleme: Eben das BGE.

Der Kern der Sache ist für mich dabei die Verbilligung von Arbeit, also 1. "Niedriglohn für alle" (mein Slogan) und 2. die Verlagerung der Finanzierung der Leistungen von einer reinen Arbeitsbesteuerung auf eine stärkere Besteuerung der eigentlichen Wertschöpfung. In einer vorgestern erschienenen weiteren Antwort auf die laufende Hartz-Umfrage auf http://www.grundeinkommen.de schrieben André Presse und Prof. Götz Werner vom interfakultativen Institut für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe dazu einen netten Absatz:

"Die Fortführung der sozialen Sicherung nach dem Bismarck’schen Sozialstaatsgedanken, nur den Bedürftigen zu geben und „erworbene Lebensstandards“ sichern zu wollen, dürfte sich weiterhin als schwierig und irgendwann als nicht mehr haltbar erweisen. Ich habe oft Einstein in diesem Zusammenhang zitiert: „Man kann Probleme nicht mit den Denkmustern lösen, die zu den Problemen geführt hat.“ Solange die Finanzierung ausschließlich oder überwiegend aus den Arbeitseinkünften diskutiert wird, entsteht der scheinbare Widerstreit zwischen „was ist wünschenswert“ und „was ist finanzierbar“. Erst die Orientierung an der (von der Arbeit Dank Industrialisierung zunehmend entkoppelten) Wertschöpfung lässt erkennen: Die Realleistungen für sogar sehr viel höhere Grundeinkommen, sehr viel höhere als Hartz-IV-Sätze, werden ohne weiteres erbracht."

Ein BGE, das Existenz und kulturelle Teilhabe für alle ermöglicht, ist also 1. eher finanzierbar als das heutige System (schikanöser ungerechter demotivierender und menschenunwürdiger) bedarfsorientierter Grundsicherung und erlaubt 2. einen Zuverdienst für alle, weil keine Abhängigkeit von einem existenzsichernden Arbeitsplatz mehr bestehen muss, sondern ein breiter und steuerfreier Niedriglohnmarkt für alle zur Verfügung steht. Es kann sich so außerdem auch endlich jeder wieder leisten, die qualifizierte Arbeitskraft anderer zu konsumieren, wie es derzeit nur in illegaler Schwarzarbeit oder halblegalen halbprivaten Tauschbörsen möglich ist.

Daß das BGE und der Umbau des Steuersystems dabei nur Teile eines gesamtpolitischen Konzepts sein können, das die Ideale sozialer Gerechtigkeit als Ganzes verfolgen muss, versteht sich von selbst. Über die Gefahren, die sich daraus ergeben, wenn man das BGE als Ziel an sich mißversteht, hatte ich in Nochmal wegen Grundeinkommen... ja bereits geschrieben.