Seit Wochen ist in den Medien ein ziemlicher Hype um künstliche Intelligenz (KI) im Gange. Die größte Aufmerksamkeit bekommt dabei ChatGPT, eine neuartige Anwendung mit erstaunlichen Fähigkeiten und beeindruckender Eloquenz. Die Formulierungskunst von ChatGPT ist so gut, dass beispielsweise das Hamburger Landesparlament nicht gemerkt haben soll, dass ein Bürgerschaftsabgeordneter seine Rede vollständig damit erstellt hatte [1]. Im kolumbianischen Cartagena soll sogar ein Richter ein Urteil mithilfe von ChatGPT geschrieben haben [2].

Solche Meldungen lösen verschiedenste Reaktionen aus: Euphorie, Zweifel, Widerstände, Ängste - aber auch Neugier. Ist ChatGPT wirklich nützlich? Kann man den Antworten vertrauen?


Ein kostenloser Probeaccount bei ChatGPT war schnell eingerichtet. Auf ein paar unverfängliche Fragen von der Art, wie man einen Small Talk beginnen würde, antwortete der Bot wirklich clever. Das änderte sich schlagartig, als ich ein paar einfache Fragen aus meinem Fachgebiet (synthetische organische Chemie) stellte. Höflich, aber bestimmt wurde jede Antwort abgelehnt, selbst zu einfachsten Themen aus dem Schulunterricht, über die man sich mithilfe der Google-Suche oder bei Wikipedia umfassend informieren kann. Im Hinblick auf Chemie findet ganz offensichtlich Informationsunterdrückung statt.

Gesprächiger ist ChatGPT bei mathematischen Fragestellungen. In dem Fachgebiet scheint sich der Bot sehr gut auszukennen. Aber leider nur dem Anschein nach. Denn man kann nie darauf vertrauen, dass die Antworten auch richtig sind. Professor Dr. E. Weitz von der HAW Hamburg hat ChatGPT in dieser Hinsicht ausgiebig getestet
[3]. Sein Ergebnis: der Bot macht zum Teil haarsträubende Fehler. Das Fatale: Man erkennt sie nicht, wenn man die richtige Antwort nicht schon weiß.

Dieser Mangel an Vertrauenswürdigkeit zieht sich enttäuschenderweise durch viele Bereiche. Heise-online berichtet [4], dass Chat GPT durch das bayrische Abitur fallen würde: Deutsch 5+, Informatik 5, Mathematik 4-, Geschichte 3+. Kurzum: Im jetzigen Stadium ist ChatGPT eher eine Spielerei als ein verlässliches Werkzeug.

Dennoch löste ChatGPT bei Google und Microsoft Unruhe aus. Microsoft schaltete schnell eine KI-Ergänzung für seine Suchmaschine Bing frei. Google präsentierte die Anwendung
"Bard" - und blamierte sich damit bis auf die Knochen! In der Präsentationsshow sollt die KI nämlich einem Kind die Entdeckungen des James-Webb-Teleskops erklären. Die Antwort war absolut falsch. Und weil dieser Fehler in der Präsentation passierte, brach der Aktienkurs von Google um acht Prozent ein. Die Anleger verloren 900 Millionen Euro ihres Vermögens [5]. Denn so ein Fauxpas darf einem Großkonzern einfach nicht passieren. Nie und unter keinen Umständen.

Man könnte nun denken: KI-Anwendungen sind nette Spielereien, mehr nicht. Denn was soll man mit Ergebnissen anfangen, die nicht vertrauenswürdig sind? Die reichen bestenfalls für die Politik, wo Wahrheit keine große Rolle spielt.


So ist es aber nicht. In einzelnen Spezialgebieten leistet die KI nämlich wirklich Hervorragendes. Für uns interessant ist dabei vor allem automatisierte Übersetzung und die Rechtschreibprüfung.

Die Vorteile der KI bei der Übersetzung fremdsprachiger Kommentare und Texte genießen wir bereits seit 2017, als wir von Google Translate auf den KI-basierten Übersetzer DeepL umgestellt haben. Inzwischen ist international anerkannt, dass DeepL der beste derzeit verfügbare automatische Übersetzer ist.

Zwar gab es in der Vergangenheit manchmal Hinweise aus unserer Community, dass Übersetzungen fehlerhaft oder sinnentstellt seien. Es lag jedoch immer daran, dass schon im Ursprungstext Fehler waren. Die Informatiker sagen: "Garbage in, garbage out." (Müll rein, Müll raus). Umsichtige Mitglieder haben deshalb in ihren Browsern die Rechtschreibkorrektur aktiviert. Das funktioniert sogar einigermaßen passabel. So weit, so gut - oder auch nicht.

Denn nun betritt KI die Bühne. In der PC-Welt wurde kürzlich in einem Artikel auf ein KI-Lektorat namens 'LanguageTool' hingewiesen [6]. Was kann es, was die Rechtschreibprüfung von Chrome nicht kann? Die Installation ist ein Kinderspiel. Man fügt es einfach als Add-on in den Browser ein.


Um herauszufinden, wie gut das Add-on arbeitet, können wir folgenden Text überprüfen lassen:

Gestern flogen wir mit einem Ballon. Wenn er dafür lizensiert gewesen wäre, hätte er fünf Ladies mitnehmen können. So aber waren der Pilot und ich die Einzigsten an Bord Es war trotzdem sehr schön. Der Pilot war sympatisch und zum Glück hatte der Korb keine Rolläden. Sonst hätten wir nichts von der wundershcönen Landschaft unter uns sehen können. So aber konnten wir runter kucken und uns freuen. Als wir landeten, stand unten schon ein Empfangskommitee mit einer Flasche Sekt. Das ist jedes Mal so.

Manchen Leuten ist Ballon zu fahren wenig sympatisch sondern eher ein Greuel. Sie mögen das garnicht und sagen, das sie lieber radfahren. Was schöner ist, lässt sich weder hier, noch jetzt oder heute klären. Zur Zeit haben wir sowieso was Besseres zu tun. Wir sollen nämlich diesen Text rezensieren, damit er mehr Seriösität bekommt. Ist Dir das wiederlich? Vielleicht löscht Du ihn auch lieber? Am Besten machst Du Dich aber wohl an die Arbeit.

A propos Arbeit: Wenn die Fehlersuche durch KI unterstützt wird, hast Du weniger Arbeit und kannst die gewonnene Zeit bestmöglichst für was Anderes nutzen. Zum Beispiel in die Caféteria gehen und einen Capuccino trinken. Darüberhinaus könntest Du auch in den Supermarkt gehen und etwas einkaufen, Dich für ein Rendevous verabreden, oder weiter an Deinem Webblog schreiben. Du hast auch Recht, wenn Du nichts von KI hälst. Aber vielleicht lässt dieser Test dich Deine Haltung überdenken.


Wenn Du Deine Fähigkeiten als Hobby-Lektor testen möchtest, mach folgenden Versuch: Aktiviere die Stoppuhr Deines Smartphones und zähle die Fehler. Wie viele sind es? Wie lange hast Du gebraucht? Mehr als 15 Fehler, unter zwei Minuten? Gratulation! Das ist schon ziemlich gut.

Wenn Du den Text nun probeweise in ein Kommentarfeld bei ipernity überträgst, dann zeigt Dir der Browser Chrome (bei aktivierter Rechtschreibprüfung) 19 Fehler an. Das ist auf jeden Fall besser, schneller und weniger anstrengend als das eigene Korrekturlesen. Wenn Du den Test in ein WORD-Dokument überträgst, bekommst Du 4 zusätzliche Fehlermeldungen. Das ist noch besser, aber aufwändiger.

In beiden Fällen wird nicht erkannt, dass (in Zeile 1) die Pluralform von 'Lady' im Deutschen 'Ladys' ist. Nicht erkannt wird auch (in Zeile 2) der fehlende Punkt am Satzende hinter "... die Einzigen an Bord". Und so weiter, und so fort. Insgesamt sind in dem Text nämlich 32 (!) Fehler, von denen das KI-basierte 'LanguageTool' 31 erkennt. Damit ist dieses Tool den anderen Methoden haushoch überlegen.

Und welchen Fehler erkennt selbst 'LanguageTool' nicht? Richtig: Ballone fliegen nicht. Sie fahren! Wowöglich würde die umfabgreichere (kostenpflichtige) Version solche Fehler auch finden.

Mein Resümee: Für die Rechtschreibprüfung ist das KI-basierte 'LanguageTool' ein echter Fortschritt. Ich kann es uneigeschränkt empfehlen. Vor allem auch, weil es sich automatisch auf die Sprache einstellt und sogar Korrekturvorschläge macht. Die gibt es nämlich weder bei Chrome noch bei WORD. Sie sind eine echte Komfortsteigerung, und sehen so aus:


Dabei wird sogar auf eine gendergerechte Sprache geachtet. Wenn z. B. im Text das Wort "Putzfrau" verwendet wird, schlägt LanguageTool vor, dieses Wort in "Reinigungskraft" zu ändern.

Bergfex
St. Johann in Tirol
10. Februar 2023