Wenn ich aktuell so im Web herumsurfe, dann frage ich mich, ob ich eigentlich der Einzige bin, der von Chromium OS nicht enttäuscht ist. Ich habe eine Ubuntu-Variante erwartet, die mit einem neuen Fenstermanager daherkommt, der nix kann, außer den Google-Browser Chrome fullscreen zu fahren, und die auch insgesamt so abgespeckt ist, daß man keine anderen Anwendungen installieren kann.

Für das frühestens Ende 2010 erstmals marktfähige Produkt, dann Chrome OS genannt, habe ich erwartet, daß es auf dann neue Netbooks mit einem speziellen Schnellstart-BIOS abgestimmt sein und nur im Bundle mit denen vertrieben wird. Ich ging davon aus, daß alle mitgelieferten Applikationen, egal ob Fremdkomponenten oder sehr zentrale Dinge, reine Webanwendungen sind, die auch in den Chrome-Versionen für MacOS, Linux oder Windows laufen.

Ich habe also mit einer Adaption heute gängiger OpenSource-Technologien gerechnet, mit der Google-Partner Surfstationen herstellen können, die kein klassisches Betriebssystem haben, wodurch die Geräte kostengünstiger, schneller, schlanker und sicherer werden, da sich nichts mehr zwischen Maschine und Browser drängen kann. Ich habe nicht erwartet, daß Chrome OS ein alternatives Betriebssystem für bestehende Rechner werden will, noch daß Chrome-OS-Rechner für etwas anderes taugen würden als für ein Zweitgerät.

Alle meine hier genannten Erwartungen hat Google mit seinen jüngsten Ankündigungen nun auch erfüllt. Chrome OS reduziert Notebook-Hardware zu einem App-losen Smartphone mit besserer Tastatur und Bildschirm. Oder anders gesagt: Es ist ein Browser, der mit eigener Hardware ausgeliefert wird. Wenn Smartphone-Hardware mächtiger wird, kann es langfristig auch Android ersetzen -- aber nur, wenn dessen Apps ins Web verlagert werden. Eine App-API für Chrome OS macht jedenfalls für eine Firma wie Google keinen Sinn.

Chrome OS, so wie es nun tatsächlich auch konzipiert wurde, macht hingegen extrem Sinn, wenn man die Leistungsfähigkeit zukünftiger mobiler Hardware und Netzanbindungen berücksichtigt. Google wird bei der Hardware, die die Partner mit Chrome OS anbieten werden, stark mitreden, und auch Verträge mit Mobilfunkanbietern eingehen, also vor allen Dingen organisatorisch die Rahmenbedingungen für die mobilen Surfstationen mit dem sich selbst aktualisierenden Chrome OS schaffen. Sie gehen damit nicht in Konkurrenz zu einem Markt, den Microsoft heute bedient, sondern beackern einen neuen.

Fazit: Chrome OS ist keine Überraschung und schon gar keine Enttäuschung, denn es war (zumindest mir) klar, daß man es nicht würde anfassen können. Alles, was man sieht, sind die Webanwendungen, und die werden sogar ohne den Chrome-Browser laufen. Von Mozilla Firefox und Apple Safari erwartete ich jedenfalls eine Entwicklung, die mit Chrome mithalten kann. Was fehlt, werden Google-Plugins (wie z.B. Gears) nachrüsten. Die braucht man aber auch heute schon, um z.B. Google Wave richtig nutzen zu können. Darüber hinaus wird Google so maximal wie möglich auf internationale offene Web-Standards setzen, denn Google lebt nicht wie Apple oder Microsoft von monopolistischem Technologiebesitz, sondern von personenbezogener Datensammlung. (Ob das so viel besser ist, steht auf einem anderen Blatt und ist ein anderes Thema.)