Ich hatte länger schon mit dem Gedanken gespielt, mal eine der Gedenkstätten
unserer unseligen Vergangenheit zu besuchen...
Und Bergen–Belsen liegt vor den Toren Hannovers...
Also machte ich mich, wenn auch nicht in aller Herrgottsfrühe , auf den Weg.
Die üblichen Blockaden auf den Straßen, ungetrübtes Fahrvergnügen gibt es ohnehin kaum noch auf irgendeiner Autobahn, den Forderungen nach Tempo 130 zum Hohn..
Vielleicht habe ich mein Navigationsgerät nicht richtig gefüttert, die Fahrt erinnerte mich etwas an die Odyssee, weil ich wohl zu früh von der Autobahn abgefahren war und von Celle aus nach Bergen fuhr. Hinweisschilder sah ich nirgends - die scheint es, wenn überhaupt kontinuierlich, nur von der Autobahnausfahrt Bergen –Belsen aus zu geben..
Selbst in Bergen fand ich keine Hinweise ..
So kam ich, später als vorgesehen, am Zielort an.
Es regnete, wie schon auf der ganzen Fahrt, in Strömen.
Grau, trüb und deprimierend war auch der Parkplatz, auf dem sich noch Rückstände der vorhergegangenen Bauarbeiten befanden.
Die schmucklosen Bauten, links in dunkelbraun, rechts in betongrau - alles passte irgendwie in die trübe Stimmung - mit den Regenlachen und den krümelnden Steinchen des Bodenbelags in meinen Schuhen..
Ich ging in das Ausstellungsgebäude (auf dem Bild rechts im Hintergrund zu sehen), einen langen, riesigen Betonklotz.
Dort drin vergaß ich die Zeit beim Betrachten der
umfassenden Dokumentationen, der grauenvollen Bilder,
der Filme und der Kurzvideos mit den Schilderungen von ehemaligen Kriegsgefangenen und Juden, die den Holocaust überlebt hatten.
Ich merkte nicht, wie es draußen dunkel wurde und mir die Zeit davonlief...
Deshalb konnte ich die Außenanlagen nicht mehr besuchen.
Um alles zu sehen, muss man sich auf einen kilometerlangen Rundgang einlassen.
Das möchte ich dann doch lieber bei angenehmeren Außentemperaturen, vielleicht im nächsten Jahr, nachholen.
Es wäre schön, wenn sich dann eine Gruppe zusammenfinden würde, die dabei mitmacht.. Sie bieten dort auch Gruppenführungen an.
Als ich den Ort des Geschehens verließ, regnete es noch immer in Strömen.
Schon wieder die ungemütliche Fahrerei und jetzt dazu auch noch
im Dunkeln..
Die Sicht war ziemlich schlecht, die Fahrt auf den Bundesstraßen in Richtung Hannover entsprechend mühsam. Da ich nun aber, im Gegensatz zu vorher, eine genaue Adresse hatte, konnte mich mein TomTom sicher zum Leineschloss-genauer gesagt, zum Restaurant Leineschloss - dirigieren, wo ich dann, fast wie ein Geschenk des Himmels, sofort einen Parkplatz fand..
Ich war tatsächlich die erste Besucherin im Saal und nahm mutig in der ersten Reihe Platz. Merkwürdig- keiner wollte dorthin- aber ich hatte mich vergewissert, dass keine anderweitige Reservierung vorlag..
Wie angekündigt, kam dann noch Rainer- als Einziger der Hannoveraner Ipernity-Mitglieder..
Ich hätte doch erwartet, dass das Thema
"Gegen das Vergessen- Verbrechen an der innerdeutschen Grenze und ihre DOKUMENTATION DURCH DIE ZENTRALE ERFASSUNGSSTELLE SALZGITTER"
zu dessen Besuch Rainer in seinem blog aufgerufen hatte, mehr Interessenten anlocken würde..
Obwohl ich nicht so direkt betroffen bin, hat mich die Materie doch sehr gefesselt, weil ich die Zeit der Teilung und die Bosheiten der Vopos bei den Grenzübertritten sowohl in Berlin, wie auch im kleinen Grenzverkehr, bewusst erlebt habe und mich über alle Ereignisse in der DDR mit Freunden in Ostberlin hatte austauschen können.
Die Diskussionsteilnehmer der Veranstaltung waren hochkarätig.
Neben der niedersächsischen Justizministerin Frau Elisabeth Heister-Neumann,
dem Generalstaatsanwalt a.D. Christoph Schaefgen (er führte seinerzeit die Prozesse gegen Honecker, Mielke, Krenz, Schabowski u.a.) und Dr.H.J Grasemann (ehemaliger Sprecher der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter, Oberstaatsanwalt in Braunschweig) erschien als jüngster Teilnehmer der Runde Roman Grafe, Gerichtsreporter und Buchautor, ehemaliger DDR-Bürger, der durch Bücher wie "die Grenze durch Deutschland 1945-1990" und die Verfilmung der Chronologie der Abläufe bekannt wurde.
Die Diskussion wurde vom Leiter des Bildungswerks Hannover, Chr.Schleicher, hervorragend moderiert. Seine Fragen an die Podiumsteilnehmer waren bestens vorbereitet und so gezielt gestellt, dass deren Antworten darauf alle Informationen lieferten, die man sich nur vorstellen konnte.
Was mir - und sicher noch vielen Anderen im Publikum - naheging, war der Umstand, dass die Strafen für die Verantwortlichen so lau ausgefallen waren.
Das belastete auch den jungen Schriftsteller sehr und so fiel auch deutlich die Differenz zwischen den irgendwie abgeklärten Juristen ( die im Übrigen die Gesetzeslage recht anschaulich verdeutlichen konnten) und dem jungen betroffenen Menschen ins Auge. Schwer nachzuvollziehen für Jemanden, der Gerechtigkeit sucht und statt dessen, wie Bärbel Boley es einmal formulierte, "den Rechtsstaat bekam.." Das letzte Wort hatten bei den Prozessen die Richter.
Bei genauerem Hinhören konnte man auch bei den Juristen, insbes.
Dr Schaefgen, spüren, dass sie von den gefällten Urteilen in dieser Form nicht begeistert waren, sie hatten ja ursprünglich für höhere Strafen plädiert. Sie mussten sich dem Spruch der unabhängigen Richter beugen und begründeten es mit den rechtsstaatlichen Entscheidungen, hinter denen sie nun mal stehen müssen.
Es blieb der fade Nachgeschmack, dass denen, die unter dem Regime am meisten gelitten haben, keine Genugtuung zuteil wurde- ja, dass diese heute schlechter dastehen als viele MfS-Angehörige , von denen die meisten doch wieder oben schwimmen.. Selbst mich als nichtbetroffene Westdeutsche überkommt der Zorn, wenn wieder mal Berichte darüber auftauchen, wie dreist und ohne Gewissensbisse diese Figuren unter uns leben..
Nach meinem Empfinden war die Veranstaltung trotz der umfassenden Informationen zu früh zu Ende, aber im kleineren Kreis gingen die Gespräche weiter.
Für Rainer und mich gab es noch ein Highlight:
Das persönliche Zusammensein mit Roman Grafe.
Es stellte sich heraus, dass sich durch den Ort, um den sich die Geschehnisse in Buch und Film rankten (Probstzella), eine Menge Berührungspunkte mit Rainers Biografie ergaben. Diese führten dazu, dass wir nach dem Ende der Veranstaltung noch das Vergnügen hatten, das Gespräch mit Roman Grafe persönlich weiterzuführen- in einem gemütlichen Lokal um die Ecke..
Mein Fazit:
Der Abend allein war schon die Fahrt nach Hannover wert!
Danke, lieber Rainer, dafür, dass du die Veranstaltung öffentlich gemacht hast
und für die bereichernde Fortsetzung danach- die es ohne deine Anwesenheit in dieser Form nie gegeben hätte !
Nachtrag..
Fast ein bisschen abenteuerlich-
aber jedenfalls über einen etwas ungewöhnlichen Weg kam ich in den Besitz dieses Photos unten und danke dem freundlichen Übersender noch mal auf diesem Weg...
Podiumsdiskussion
Auch die "Hannoversche Allgemeine" hat über die Veranstaltung im Leineschloß berichtet. Ich werde den Artikel nachher mal einscannen und "posten".
P.S. Schade, daß ich mich nicht getraut habe, das Podium zu fotografieren. Frau Heister-Neumann wertet doch schon mal optisch jedes Bild auf ;-)
H.B. has replied to Rasch2000Du hast dich nicht getraut..? Das war mir leider nicht so ganz bewusst- ich hatte mich zwar gewundert, dachte aber schon, dass DU uns die Kastanien aus dem Feuer holen würdest....! :DD.
Andererseits hat doch an der Seite ein Fotograf gestanden - man hätte diese Chance wahrnehmen können. (sollen..;-)).
Jau, eure Justizmininisterin sieht nicht nur blendend aus, sie bezieht auch Stellung (keine Selbstverständlichkeit bei den Politikern heutzutage ).
Interessant wäre auch, zu erfahren, was sie dann tatsächlich aus dem macht, was sie sagt.. Z.B. ob dieser Teilnehmer (ein Lehrer, soweit ich mich erinnere), dann tatsächlich auch Antwort von dem zuständigen Minister (?) bekommt , für dessen Anliegen sie sich hatte einsetzen wollen..
Heißt es etwa auch DAS Mail..? Ich gehe da wohl recht sorglos mit den (falschen..? ) Artikeln um..
Mit dem Einsetzen der Bilder hatte ich schon so meine Not.!
Dass die mittleren treppenversetzt eingefügt wurden, lag nicht in meiner Hand.! Ich habe erfolglos versucht, das zu ändern. Und danach hatte ich den Text dazwischen geschrieben, um die Optik auszugleichen.. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass ich hier zum Spielball der Software geworden bin.. War es eigentlich beabsichtigt, dass bei DEINEM Blog unter den Wolfsschanzenbildern ein so großer Abstand ist..? Oder hat sich da auch was selbständig gemacht..?
Rufe nach Aufbereitung der Salzgitter-Akten
Von Klaus Wallbaum
Hannover. Rund 18 Jahre liegt die friedliche Revolution in der DDR nun schon zurück, und es mehren sich in diesen Tagen Forderungen, die Erinnerung an die Untaten des SED-Regimes nicht verblassen zu lassen. Das betrifft etwa die rund 42 000 Akten, die bis Ende 1989 in der „Erfassungsstelle“ in Salzgitter zusammengestellt wurden: Wenn Grenzflüchtlinge erschossen, Häftlinge in DDR-Gefängnissen gequält und misshandelt wurden, wenn Richter Willkürurteile verhängten, so hat die Dokumentationsstelle der westdeutschen Justiz in Salzgitter diese Vorgänge festgehalten. Seit wenigen Monaten befinden sich die Akten nun im Bundesarchiv in Koblenz.
In Hannover haben jetzt vor der Konrad-Adenauer-Stiftung namhafte Juristen und DDR-Experten verlangt, diese Vorgänge aufzubereiten und die Erinnerung an die Gewaltherrschaft der SED wachzuhalten. „Ich halte es für sinnvoll, wenn sich Wissenschaftler intensiv mit den Salzgitter-Akten auseinandersetzen“, sagte Niedersachsens Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU). Das Land wolle diese Arbeit auch unterstützen, und sie selbst werde das Thema Anfang November in der Konferenz der Justizminister ansprechen. Schließlich sei die Erfassungsstelle in Salzgitter damals eine Einrichtung der Länder-Justizverwaltungen gewesen – auch wenn sich einige SPD-geführte Länder 1988, ein Jahr vor der Revolution, aus der Mitfinanzierung zurückgezogen hatten.
Der frühere Leiter der zentralen Anklagebehörde zur DDR-Regierungskriminalität, Christoph Schaefgen, hält neben wissenschaftlichen Abhandlungen auch „gute Filme, Romane und Sachbücher“ über die DDR-Vergangenheit für erforderlich. Hans-Jürgen Grasemann, einst Sprecher der Behörde in Salzgitter, erinnert an die positive Wirkung der Erfassungsstelle: Viele Grenzsoldaten in der DDR seien allein wegen der Existenz dieser Behörde eingeschüchtert gewesen. Umgekehrt hätten viele Häftlinge in DDR-Gefängnissen gehofft, dass das ihnen widerfahrene Unrecht in Salzgitter festgehalten wird. „In manchen Gefängniszellen hatten Gefangene deshalb an die Wand das Wort ,Salz‘ geschrieben und darunter ein Gitter gemalt.“
Der Blick zurück in die Phase der juristischen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit bleibt nicht ohne Streit. Viele Ermittlungsverfahren gegen frühere Befehlshaber oder Grenzsoldaten, die unter anderem für Todesschüsse an der Grenze verantwortlich waren, wurden eröffnet, die große Masse aber musste wieder eingestellt werden. Von 587 Angeklagten wurden 211 verurteilt – aber nur etwas mehr als zehn Prozent wurden ins Gefängnis gebracht. Schaefgen, der die Anklagebehörde leitete, spricht von „zwei bis drei Prozent der Beschuldigten, die verurteilt wurden“. Der Grund liege aber nicht etwa in einer zu großen Nähe der Gerichte zu den früheren Tätern oder in einer wie auch immer gearteten Solidarität mit ihnen, sondern in der komplizierten Rechtsmaterie: Ein Urteil sei nur dann möglich gewesen, wenn die Tat sowohl nach DDR-Recht als auch nach bundesdeutschem Recht strafbar gewesen sei. „Gerechtigkeit ist eben ein sehr schwieriges Geschäft“, sagt Schaefgen. Der aus der DDR stammende Buchautor Roman Grafe hält dagegen: Der hohe Anteil derer, die nur Bewährungsstrafen bekommen hätten, zeige, wie verwoben die Justiz mit den Tätern der SED-Diktatur gewesen sei.
HAZ vom 30.10.07
H.B. has replied to Rasch2000Da sind noch zusätzliche Informationen drin - eine gute Ergänzung also.
War denn auch ein Bild dabei..?
Ich seh mal nach, ob ich was finde..
Rasch2000 has replied to H.B.Sehr geehrte Redaktion,
sehr geehrter Herr Wallbaum,
Zum Artikel in der HAZ vom 30.10.07
„Über die DDR muss man reden“
Rufe nach Aufbereitung der Salzgitter-Akten
Von Klaus Wallbaum
habe ich Folgendes anzumerken:
Bei dieser Podiumsdiskussion war ich anwesend, habe ebenfalls bedauert, wie wohl fast alle anderen Anwesenden, daß so wenige der damals in der DDR Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen wurden und – wenn sie es wurden, daß die Strafen relativ gering ausfielen. Die Juristen unter den Diskussionsteilnehmern haben die Gründe erläutert.
Sie schreiben am Ende Ihres Artikels:
„„Gerechtigkeit ist eben ein sehr schwieriges Geschäft“, sagt Schaefgen. Der aus der DDR stammende Buchautor Roman Grafe hält dagegen: Der hohe Anteil derer, die nur Bewährungsstrafen bekommen hätten, zeige, wie verwoben die Justiz mit den Tätern der SED-Diktatur gewesen sei.“
DIESE Aussage hat Herr Grafe meiner Erinnerung nach nicht gemacht. In seinen Ausführungen hat er nicht den Eindruck einer „mafiösen Komplizenschaft“ der bundesdeutschen Justiz mit den DDR-Tätern erweckt, wie Sie es mit der Formulierung der „Verwobenheit“ andeuten.
Mich würde interessieren, ob Ihnen ein Protokoll oder ein Mitschnitt dieser Aussage vorliegt oder ob Sie hier etwas „ journalistisch frei“ formuliert haben?
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichem Gruß
H.B. has replied to Rasch2000Rasch2000 has replied to H.B.HAZ
Klaus Wallbaum
6. November 2007
Sehr geehrter Herr S........
ein Protokoll liegt mir nicht vor. Ich habe die Ausführungen von Herrn Grafe so wahrgenommen, wie ich sie in der verknappten Wiedergabe niedergeschrieben habe. Ich mag es zugespitzt haben, "frei formuliert" habe ich es jedoch nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wallbaum
H.B. has replied to Rasch2000Und wenn schon- wer hat denn KEINE Zweifel daran, dass NUR der Rechtsstaat angemessene Urteile verhindert hat.. ??
Und nicht immer fällt etwas so krass ins Auge, wie seinerzeit bei dem Verfahren gegen den Straußsohn, wo selbst von den Ermittlungsbehörden Beschwerde erhoben wurde, dass sie behindert wurden.. (Das spielte sich damals in Augsburg ab- nähere Einzelheiten dazu weiß ich jetzt nicht mehr..)
WIE mitten in Detuschland SOVIELE KZs entstehen konnten . Man steht im wahrsten Sinne des Wortes FASSUNGSLOS vor diesen Tatsachen und Dokumentationen -
Zur DDR - Ich lebe nun als 'Wossi' - ein Wessi der in den Osten gezogen ist -
im Tal der Ahnungslosen - im Elbtal bei Pirna -
Ich habe schon mit vielen gesprochen - ihre Erfahrungen sind - bei den jetzt 40 - 50 Jährigen - meist positiv - Sie wußten eben auch nicht alles
Ein Bekannter sollte für die Stasi arbeiten - er hat es abgelehnt -
Ich habe aber auch schon gehört einen Satz wie "Der hat die Einigung verpennt "
was heißen soll - er lebt noch in der Vergangenheit -
Der überwiegende Tenor ist - Gut - dass die Einigung gekommen ist -
Und die 20 Jährigen wissen sowieso nichts von der DDR - Sie ist weit weg -
Sign-in to write a comment.