Ausgangspunkt für diese Überlegungen war eine kurze Diskussion mit einem Freund : warum ist es manchmal so spielerisch einfach, gute Bilder zu finden, und manchmal scheint es so unmöglich ?

Ich brauche dafür drei verschiedene Fähigkeiten/Qualitäten meines Geistes. Der Deutlichkeit halber gebe ich ihnen Namen, das soll aber nicht bedeuten, dass sie getrennte/isolierte Einheiten seien.
Es ist eher so wie mit Legosteinen, mit denen man ganz verschiedene "Einheiten" bauen kann, die verschiedene Funktionen ausüben.
Genau so ist mein Geist eine Sammlung von "Legosteinen", die sich zu verschiedenen Funktionen zusammenfügen können, und diese auch leicht wieder auflösen können. Diese Flexibilität der geistigen Fähigkeiten wird übrigens sehr gefördert durch die Praxis der Meditation.


1. Der Macher, Planer. Die rationale Denkfähigkeit, die linke Gehirnhälfte, das Yang in mir.
2. Das Empfängliche, das Offene, Planlose. Die kreative Denkfähigkeit, die rechte Gehirnhälfte, das Yin in mir.
3. Die geschickte Handwerks-Kunst, die manuelle Erfahrung. Es gibt die körperliche Denkfähigkeit, das Bauchgefühl, die Erinnerung an früheres Tun.
(Das kann ich beispielsweise erleben, wenn ich nach 20 Jahren wieder eine Tätigkeit durchführe, die ich schon lange vergessen hatte - aber mein Körper erinnert sich und plötzlich kann ich es wieder tun. )

Für's fotografieren müssen natürlich alle Fähigkeiten zusammenwirken.

1. Der Macher sorgt für die Ausrüstung, den Weg zur Lokation, das Picknick dabei. Aber dann muss er sich zurückziehen, muss die Regie abgeben.
Das ist sein Problem, der will immer der wichtigste sein, und damit verhindert er gute Fotos. Denn der Macher hat keine guten Ideen, der kann nur für die nötige Infrastruktur sorgen.
Das ist der praktische Anteil, aber der bliebe folgenlos ohne die beiden anderen.

2. Das Empfängliche kann sich nicht vordrängen, es kann nicht um die "Macht" kämpfen, so wie der Macher es ständig tut.
Es ist darauf angewiesen, dass der Macher die Umstände passend gesucht oder hingekriegt hat und sich dann zurück gezogen hat.
Es ist auch darauf angewiesen, dass meine sonstigen Denkprozesse (Zukünftiges planen, Vergangenes wiederkäuen) reduziert werden und weniger Kapazität beanspruchen. Die müssen halt mal Platz machen für neues.
Wenn dann ein freier Raum in mir ist, eine offene Leere, ein weites unbestelltes Feld, dann kann ich empfangsbereit durch die Welt gehen und dann kann ich plötzlich die Schönheit in den Dingen sehen.
Das ist der wundervolle Moment, wo "mich die Muse küsst". So hat man das früher genannt, und es gilt natürlich für viele kreative Tätigkeiten.
Und wenn ich wach und stark bin, kann zu der Erkenntnis des Schönen auch eine Idee der Verwandlung dazu kommen : Wie kann ich das Schöne aufnehmen und in eine Form giessen ? Als Fotograph ist meine Form das Foto.
Das ist der eigentliche kreative Prozess, aber der bliebe folgenlos ohne die beiden anderen.

3. Die geschickte Handwerks-Kunst kommt jetzt zum Einsatz. Die Finger finden ohne viel Überlegung die passenden Einstellungen an der Kamera.
Die Beine gehen ohne viel Überlegung um das Motiv herum und probieren verschiedene Standpunkte, Sichtwinkel, Positionen.
Die Augen erkennen ohne viel Überlegung den Lichteinfall, das Spiel von Licht und Schatten, die Farbigkeit und Strukturen.
Dabei bin ich geleitet von der eben empfangenen Idee, von dem einmaligen kurzen "Musenkuss"
Ein bissl denken und Erfahrung kann hier hilfreich sein, aber Vorsicht : allzu leicht will sich hier der Macher wieder vordrängen mit Plänen, Konzepten, vorgefertigten Regeln - damit macht er nur vorgefertigte Aufnahmen ohne den Zauber der Empfänglichkeit.
Die Handwerks-Kunst profitiert primär von eigenen Erfahrungen, darum heißt es "üben, üben, üben". Sie lernt aber auch von den Erfahrungen anderer Leute, sofern diese sauber durchdacht und angemessen präsentiert sind.
Hier sind manche Fotografie-Bücher hilfreich (aber andere legen zu viel Wert auf die Macher-Funktion und starre Regeln, die finde ich eher schädlich).
Das ist der Umsetzungsprozess, aber der bliebe folgenlos ohne die beiden anderen.

4. Am Ende ist der Macher wieder dran, der mich rechtzeitig nach Hause bringt und das überspielen und einordnen der "Beute" in meine Fotoverwaltungssoftware übernimmt.
Bei der Bearbeitung brauchts aber schon wieder das Empfängliche und die Handwerks-Kunst. Die müssen immer gut zusammen arbeiten.

Wenn eines der drei Elemente fehlt, dann können zwar Ergebnisse entstehen, aber die sind seltsam unvollständig.
Fehlt der Macher, dann passiert meistens gar nichts. Deswegen fühlt er sich so unersetzlich.
Fehlt die Empfänglichkeit, dann sind die Ergebisse seltsam leblos, uninspiriert. Wie eine Suppe ohne Salz, ohne Gewürze.
Fehlt die Handwerks-Kunst, sind die Ergebnisse etwas peinlich. Zwar gut gemeint, aber schlecht umgesetzt.

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Was haltet Ihr von der Idee ? Was geht bei Euch ab ?