Im Internet ist ein weiteres Bekennerschreiben zu Brandanschlägen auf Autos aufgetaucht. Es stammt von einer anderen linksextremen Gruppe, die Ende Dezember 2008 insgesamt acht Fahrzeuge in Friedrichshain, Neukölln, Kreuzberg und Mitte angezündet haben will. Diese „Bewegung für militanten Widerstand (BMW)“ begründet die Taten mit der „Umstrukturierung“ ärmerer Bezirke.

Das Bekennerschreiben steht unter dem Motto „Brennende Nobelkarossen versus Gentrifizierung“. Gentrifizierung ist das in der linken Szene gern verwendete Fachwort für die Vertreibung von Mietern aus ihrem angestammten Kiez durch Luxussanierungen. Die Gruppe „BMW“ behauptet, dass Fahrzeuge in den Gegenden ausgewählt worden seien, die hiervon am stärksten betroffen sind. In dem Schreiben wird zugleich eine Art Bedienungsanleitung für das Anzünden eines Autos mitgeliefert. Wie berichtet, ist die Polizei nahezu machtlos, da diese Taten in Sekundenschnelle und völlig unauffällig geschehen können.

"Das ist einfach hirnverbrannt"

Erst am MIttwoch hatte sich die Endlos-Serie der Brandanschläge in Mitte fortgesetzt. Tatort war frühmorgens gegen 3.30 Uhr nicht zum ersten Mal die Fehrbelliner Straße, wo ein BMW in Brand gesetzt wurde. Da ein daneben stehendes Auto ebenfalls beschädigt wurde, fielen den politisch motivierten Bränden in diesem Monat schon 26 Fahrzeuge zum Opfer. Die Polizei meldet offiziell 14 Taten, aber weiterhin keine Festnahme von Verdächtigen. In den meist betroffenen Kiezen der Berliner Innenstadtbezirke wächst nicht nur die Sorge der Autobesitzer. „Das ist doch einfach hirnverbrannt. Was für eine Idee steht denn dahinter?“, ärgert sich Arkadija Weinlich. Die 38-Jährige fährt am Frankfurter Tor gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin Nachwuchs Luna im Kinderwagen spazieren und fühlt sich eigentlich wohl im Szenekiez. „Ich finde es toll, dass in der Rigaer Straße gleich in der Nachbarschaft ein besetztes Haus ist, dass es schön bunt aussieht.“ Die Brandanschläge aber empfindet sie als „Angstmache“. Sie passe schon auf, ihren Kleinwagen nicht neben einem Mercedes abzustellen,Auch vor dem besetzten Haus in der Rigaer parkten viele bewusst nicht mehr, hat Weinlich beobachtet. Den eigenen Kleinwagen dagegen stellt sie oft extra dort ab. „Ich will mich nicht einschüchtern lassen“, sagt die junge Frau resolut. Berit Seebach (24) muss sich zwar keine Gedanken um ihr Auto machen.
Die Neu-Berlinerin aus Stralsund fährt Fahrrad. Für den Vandalismus der linken Szene hat Seebach dennoch kein Verständnis. Kiezgespräch seien die Anschläge allerdings nicht, so ihre Erfahrung. Er wisse gar nichts über die Vorfälle, wundert sich auch ein 44-jähriger Passant am Boxhagener Platz. „Schauen sie doch nur die vielen Graffiti hier. Chaoten gibt es viele, dagegen kann man wohl nichts machen“, meint Andreas (35), und es klingt ein wenig resigniert. Seinen Nachnamen will er nicht nennen. Man ist lieber etwas vorsichtig hier am „Boxi“, im Herzen der linken Szene. Andreas arbeitet in Mitte und hat da schon selbst eines der ausgebrannten Wracks gesehen. In Friedrichshain wohnt er nur wegen der günstigen Miete.

Im Herzen der linken Szene

Man kriege schon mit, dass es im Kiez eine Stimmung gebe gegen wohlhabendere Leute, sagt Andreas Hansche. Der soziale Wandel innerhalb kürzester Zeit sei nicht unproblematisch, so der 47-Jährige, der seit 20 Jahren in Friedrichshain lebt. „Da gibt es dann welche, die meinen, sie müssten was dagegen tun. Und die Autos werden assoziiert mit Leuten, die Geld mitbringen und Ärmere vertreiben.“ Eine Entschuldigung sei das zwar nicht. „Trotzdem glaube ich, es gibt hier bei nicht so wenigen Leuten Rückhalt für solche Aktionen.“
Seitens der Autoversicherer droht Autofahrern in den häufig von Anschlägen heimgesuchten Kiezen zumindest finanziell keine zusätzliche Belastung. Die Schäden durch Vandalismus, gleich welcher Art, hätten keine Auswirkung auf die Preisgestaltung der Regionalklassen bei KFZ-Versicherungen, sagt Katrin Rüter de Escobar, Sprecherin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Policen seien in allen Großstädten und Ballungsräumen ohnehin etwas teurer, als in den umliegenden ländlichen Gebieten. Grund: Die größere Verkehrsdichte bringe höhere Unfall- oder Diebstahlsraten mit sich.