"... Es ging nicht nur um Bücher, sicher. Oft behauptete Niko, rotgesichtig, dass seine Erzählungen und für die Zeitung geschriebenen Artikel wahr seien. Unter der zunehmend kahler werdenden Stirn, unter Averjan Ivanowitschs dichten grauen Augenbrauen fixierten zwei aufmerksame Lächeln Niko. Oft zustimmend, oft aber auch spöttisch; dann erwartete Niko nach dem Ende seines Monologs eine ruhige, etwas rauhe Stimme, die überzeugendste der Welt. Die Zigarette wurde in den Aschenbecher gesteckt, die Lächeln sprangen in den gelbgrauen Oberlippenbart:

- Aha, Nikola. Dein Roman hat sich das Bein gebrochen als er die Frau gerettet hat. Also, während einer sehr noblen Tat. Gut ja. Aber nach Deiner Erzählung fängt er sogleich glücklich zu lachen an! Folglich ist er ein psychisch unnormaler Mensch ... Hast Du selbst mal einen Knochenbruch erlebt (Gott behüte, natürlich!)? Glaub mir, Nikola, vielleicht würdest Du es schaffen nicht zu schreien - wenn du eiserne Nerven hast. Jedenfalls, völlig klar, würdest Du nicht lachen. Einverstanden?

- Niko schniefte. Okay, okay, die frischen Plätzchen sind fertig, oder Lenok?

Einmal war Niko gleichwohl erfolgreich und gewann zweifellos die Diskussion und sogar gegen eine ganze Redaktion, vier professionelle Journalisten. Niko, der mühsam seine Geschichtchen während regnerischer Leningrader Abende schrieb, erschienen die Vier, die je nach Bedarf zu irgendeiner Zeit arbeiteten, wie Genies. ... "

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Michael Bronstein, Sie schießen nicht in Jamburg, aus dem Esperanto-Original Moskau 1993, S. 13.

Der stark autobiographische Roman erzählt, wie sich junge sowjetische Esperanto-Sprecher in der bleiernen Zeit der Breschnjew-Ära kleine Freiheiten gegen die übermächtige Bürokratie ertrotzen, nicht zuletzt auf Grund ihrer Auslandskontakte stets argwöhnisch beäugt vom KGB. "Die Partei lehrt doch, dass Russisch die Sprache der Verständigung unter den Völkern ist, oder?" Der Protagonist Niko, ein aufrechtes aber zunächst naives Parteimitglied, emanzipiert sich nach und nach unter dem Eindruck der staatlichen Schikanen gegen die Esperantisten. Das Titelbild deutet das Spannungsverhältnis an: Die Sommer-Zeltlager der Esperanto-Jugend sind überschattet vom leninistischen Staat.

Näher zum Konzert von Bronstein am Dienstag, dem 11.01.2011 um 19.00 Uhr in der Egon-Erwin-Kisch-Bibliothek, Berlin-Lichtenberg s. den Blog "Esperanto in Berlin und Brandenburg".

Neu: Montag, 10.01.2011, 19.30 Uhr, in der Kellerbar des Kulturzentrums Danziger Straße 50, Prenzlauer Berg: Begegnung mit Michael Bronstein.

Hintergrund: Die Berliner Esperanto-Szene wird immer beliebter bei Autoren und Schriftstellern, die in der Internacia Lingvo schreiben. Im September 2010 war der australische Esperanto-Autor Trevor Steele zu Besuch und stellte seine beiden Romane über Deutschland vor. Die Russin Lena Karpunina, aufgewachsen in Tadschikistan, das vielfach den Hintergrund ihrer auf Esperanto verfassten Erzählungen bildet, lebt sein einigen Jahren an der Spree (hier ihre Berlin-Erzählung "In einer großen Stadt").

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Nachstehend das Esperanto-Original des kurzen Ausschnitts. Der Roman kann vollständig im Netz gelesen werden: http://miresperanto.narod.ru/biblioteko/jamburg.htm.

"... Ne nur pri la libroj temis, certe. Ofte Niko, rughmiena, asertis pravecon de siaj rakontoj kaj artikoloj, preparitaj por la jhurnalo. Sub la kalvighanta frunto, sub la densaj grizaj brovoj de Averjan Ivanovich du atentaj ridetoj spektadis Nikon. Ofte aprobaj, sed ofte ankau mokaj; tiam atendis Niko post fino de sia monologo trankvilan, iom raukan vochon, la plej konvinkan en la mondo. Cigaredo estis formetata en cindrujon, la ridetoj saltis en la flavgrizajn lipharojn:

- Aha, Nikola. Via Roman rompis la kruron, savante virinon. Do, dum tre nobla ago. Bone ja. Sed, lau vi, li tuj ekridas feliche! Sekve, li estas psike nenormala homo... Chu vi mem (savu vin Dio, certe!) iam spertis frakasitan oston? Ne. Kredu min tiam, Nikola, - vi eble sukcesus ne krii, - se vi havas ferajn nervojn. Tamen, tutcerte, vi ne ridus. Konsent'? - Niko snufas. - Nu, nu, jen freshaj kukoj pretas, chu ne, Lenok?

Unufoje tamen havis Niko la sukceson sendube gajni la diskuton, kaj ech kontrau tuta redakcio, kvar profesiaj jhurnalistoj. Al Niko, pene verkanta siajn rakontetojn dum pluvaj leningradaj vesperoj, tiu chi kvaropo, verkanta iam ajn laubezone, shajnis almenau geniuloj. ..."