Einige hundert Esperanto-Muttersprachler soll es weltweit geben, in einigen Familien schon in der dritten oder vierten Generation. Auf Esperanto heißen sie denaskuloj (de’nask’ul’oj), Von-Geburt-an-ler. Das ist genauer als unser romantisches Wort Muttersprachler, denn faktisch sind es meist die Väter, die mit den Kindern Esperanto sprechen, während die Mütter oft die Umgebungssprache oder eine dritte Sprache sprechen. Richtiger wäre daher oft Vatersprache oder Elternsprache und tatsächlich wird „Muttersprache“ auf Esperanto üblicherweise mit gepatra lingvo, Elternsprache, übersetzt.

Kindersprache ist ein ganz eigenes Wortfeld und ganz und gar nicht kinderleicht, wenn man nicht grade einen Au-Pair-Aufenthalt in der jeweiligen Sprache gemacht hat. Ich kenne viele deutschsprachige Arbeitskollegen, die passable Vorträge über Datenschutz im EG-Recht oder neue Heilungsmethoden bei Nierenkolik auf Englisch halten können, aber die Waffen strecken müssen, wenn es um Rassel, Rutschbahn und Bäuerchen geht. – Na gut, um ehrlich zu sein, sind es sooo viele dann auch wieder nicht, meist werden die eigenen Englisch­kenntnisse gnadenlos überschätzt und der höfliche Zuhörer lächelt dann still in sich hinein und wartet darauf, dass sich die Fußnägel wieder zurückrollen. Dass es nicht allzu peinlich auffällt, liegt im Wesentlichen daran, dass die meisten anderen Zuhörer es auch nicht richtig können, was die doctores profesoresque aber nie zugeben würden. Worauf ich hinaus will, ist die Binse, dass wir eine (andere) Sprache nicht auf auf allen Gebieten gleichmäßig gut sprechen.

Der Esperanto-Vater muss ein nahezu galileisches Universalgenie sein, wenn er den Kinderkosmos betritt. Nahtlos werden von ihm Spezialkenntnisse über Koggen, Schaluppen, Takelagen, Schiffszwieback und Musketen abverlangt („Alles über Piraten“ ab 4 Jahren), um sich im nächsten Moment sprachlich kompetent zu Müllverbrennungsanlagen, Straßenkehrmaschinen, Betonmischer und Löffelbagger zu äußern („Autos und Laster“ ab 2 Jahren!), bevor er sich nach Bodenpersonal, Hangar und Schwenkrotorflugzeug („Alles über Flugzeuge“ ab 4 Jahren!) in die Sofa-Oase retten darf.

Ein Klacks dagegen Hüpfburg – sollte man meinen. Und tatsächlich hilft uns Esperanto ja stets mit sehr allgemeinen Wörtern aus der Klemme, wenn wir es nicht besser wissen oder es nicht drauf ankommt oder der Kontext die Situation erklärt - wie wir bereits bei bleki und der Sprache von Hund, Giraffe und Regenwurm gesehen haben. Immer und in spontaner Sekundenschnelle geht also saltejo (salt’ej’o, Ort, wo gehüpft wird) oder saltludejo (salt’lud’ej’o, Ort wo durch Hüpfen gespielt wird). Aber natürlich ist auch ein trampolino ein salt(lud)ejo. Wenn wir es nun genauer haben wollen oder müssen, ist saltkastelo (Hüpf-Burg) dann international verständlich? Ein kleiner Hilferuf in der Mailingliste der Esperanto-Eltern „wie nennt ihr das?“ brachte ganz Erstaunliches zu Tage.

Aus Brasilien kam die Antwort, dass man im dortigen Portugiesisch pula-pula sagt, von pular = springen, hüpfen. Nur wenn die Hüpfburg auch aussieht wie eine Burg und eine Rutsche hat, nennt man sie am Zuckerhut auch castelo inflável (aufblasbare Burg) oder tobogam inflável (aufblasbare Rutsche). Wir Deutschen sind da nicht so zimperlich, wir nennen (Hüpf‑) Burg auch was als Elefant, Drache, Haus, Piratenboot usw. daherkommt, schließlich sind wir zu recht stolz auf unsere Burgen im romantischen Rheintal – gelernt ist gelernt. Auch in italienischen Wörterbüchern findet man castello gonfiabile, immerhin verbindet uns eine lange gemeinsame Burgengeschichte. Am Spielplatz aber – so wurde mir versichert – sei das eher akademisch und wenig gebräuchlich.

Große Vielfalt im Englischen und Schwiegerenglischen und Cousinen- und Tantenenglischen und dort alles hübsch durcheinander: Wikipedia gibt als Oberbegriff ziemlich erwachsenensprachig inflatable structures (aufblasbare Strukturen) an und dann inflatables, bouncy castle (to bounce – hoppsen, hüpfen), Moon Bounce, Astrojump, Moonwalk, Bounce house, SpaceWalk. Meist handelt es sich um Produktnamen, so wie wir oft Tesa sagen, wenn wir Klebeband meinen. In Irland, Großbritannien und Teilen Australiens bouncy castle oder inflatable castle, jumping castle in Arizona, Australien, Neu-Seeland, Kanada und Südafrika.

Wo hüpfen die kleinen niederländischen Jungen und Mädchen? Auf springkussen (Springkissen), in der springkasteel (Springburg) oder auf dem luchtkussen (Luftkissen), das aber besser kein Air Bag aus Papas Daimler sein sollte. Die barns aus Schweden wieder in der hoppborg. In Thailand sagt man schlicht ปราสาทเป่าลม, was immer das heißen mag.

Seit Petros Pudding wissen wir, dass wir manchmal dieselben Wörter gebrauchen, um ganz unterschiedliche Dinge zu benennen. Die Hüpfburg lernt uns, dass es auch umgekehrt geht. Wir sprechen von derselben Sache, betonen aber aus der Vielzahl ihrer Eigenschaften ganz unterschiedliche Aspekte. Die einen sehen des Spielzeugs Kern darin, dass man es aufblasen kann und muss (aufblasbar). Für andere kommt’s drauf an, was man damit machen kann (hüpfen), die dritten träumen von himmlichen Freuden hiernieden (Mondspaziergang), die vierten schließlich erinnert das äußere an mehr oder weniger glorreich Vergangenes, sie sehen Burgen, wo tatsächlich Elefanten, Drachen und Piratenschiffe sind. Und das alles gemischt, vorwärts und zurück. Kurzum: Ein universelles Konzept gibt es nicht.

Esperanto kann problemlos all diese verschiedenen Sichtweisen abbilden, wie am hellen Strand von Rio salt-salt sagen, wie in den dunklen Wäldern Schwedens von salt-kastelo raunen, amerikanisch ein lun-marŝejo himmelstürmen oder ziemlich erwachsen blutleer von ŝveligebla, also aufblasbarer strukturo akademisieren. All das ist wunderbar leicht und reich, the whole world in your hand. Was es nicht kann – und unter gar keinen Umständen will, soll und darf – ist, unsere verschiedenen Konzepte und Sichtweisen glatt zu bügeln. Aber sie zu verstehen, ist ja auch schon nicht wenig. Und wenn alle Verständigungsstricke reißen, hilft uns immer noch das sehr einfache, sehr allgemeine saltejo oder saltludejo. Alles andere geht ohnehin im Gebrüll der losstürmenden Kinder unter. Bitte nicht vergessen, die Schuhe auszuziehen.