»Hier in der Neuen Pinakothek gibt es nun allerdings etwas Interessantes zu sehen: eine Anleitung zum Händewaschen. Die Leiter dieser Institution und die Staatsbürokraten, die sie finanzieren, haben offensichtlich befunden, daß die Münchner Museumsbesucher in der Kunst des Waschens ihrer Hände nach Verrichten ihrer Notdurft nicht genügend bewandert sind. Die Menschen brauchen Anleitungen. Jawohl. In jeder Toilette hier findet sich eine. Wer aus religiösen Gründen auf dem Klo nicht liest, findet neben den Wasserhähnen eine große Hinweistafel. Viele Schritte sind nötig, um sich die Hände zu waschen, falls Ihnen das nicht bewußt war. Halten Sie die Hände unter das laufende Wasser, meine Liebe, denn andernfalls wird das Wasser nicht bis zu Ihnen kommen. Schwer zu verstehen? Die Stadt München – oder der Freistaat Bayern – ist anscheinend der Meinung, daß die Münchner Vollidioten sind. «

Tuvia Tenenbom, aufgewachsen als Sohn eines Rabbiners in Jerusalem, begibt sich auf Entdeckungsreise durch Deutschland: von Nord nach Süd, von Ost nach West, in die Stadt, aufs Land, in die Kirchen und in die Kneipen. Auf seiner Suche nach der deutschen Identität schreckt er vor keiner Begegnung zurück.

Er interviewt Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo und Kai Diekmann, er ist zu Gast in einem rechtsradikalen Club, er begleitet linke Autonome auf Erste-Mai-Demonstrationen. Er beobachtet die Biertrinkernation im WM-Sommer 2010, er besucht Synagogen, die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald, den Weltkirchentag, die Passionsspiele in Oberammergau. Er spricht mit Studenten und Professoren, mit Bankern und Industriellen, mit Politikern und Künstlern, mit Bürgermeistern und Schrebergartenbesitzern, mit Obdachlosen und Junkies. Quer durch alle gesellschaftlichen Schichten stellt er immer wieder die gleichen, drängenden Fragen: Wie ist es um den Nationalstolz der Deutschen bestellt? Wie gehen sie mit der deutschen Vergangenheit, wie mit dem Antisemitismus um? Wie reflektiert und kritisch sind sie dabei?

Tenenbom nimmt in seinem humorvoll, provokanten Reisebericht kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, uns den Spiegel vorzuhalten. Auf unterhaltsame Weise führt er mit scharfer Beobachtungsgabe die deutschen Marotten vor und enthüllt dabei intelligent und komisch zugleich die Seele des Landes und seiner Bewohner.

Es treten auf: Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo, Jens Jessen, Horst Tomayer, André Schiffrin, Charles Schumann, Kai Diekmann, Holger Franke (Rote Grütze), Adolf Sauerland, Helge Schneider, Paul Bauwens Adenauer, Peter Scholl-Latour und vielen andere.

Leseempfehlung: www.suhrkamp.de/autoren/tuvia_tenenbom_8675.html